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Die Kunst des Jammerns

Wirtschaftskrise, Diskriminierung, Geldentwertung, Übergewicht oder einfach das Wetter: keine Fehlentwicklung, die nicht täglich aus aller Munde spricht. Die Welt – ein Jammertal?

Nicht einmal über die Art der Ungerechtigkeiten und Verfehlungen besteht Einigkeit: zu wenig oder zu viel Gesetze, Kommunikation, Globalisierung, Steuern, Sozialleistungen, Freiheit, Digitalisierung oder Mobilität? Einig sind sich aber fast alle in einem: dass es früher besser war und sie zu den besonders Betroffenen, der Entwicklung gehören – eine Grundhaltung vom Großunternehmer bis zum Hartz-IV-Empfänger, vom Rentner bis zum Studenten, vom Wissenschaftler bis zur Bürokraft. Folgerichtig ist jede Neuerung von einem Ruf der Empörung begleitet – von denen, die gefordert sind und häufig sogar denjenigen, die davon profitieren. Ob Bundeswehrsoldat, Arzt, Richter, Manager, Polizist, Lehrer, Pflege- oder Verwaltungskräfte: Wer etwas auf sich hält, klagt, und dies häufig reflexartig, unabhängig von der Lösungsmöglichkeit, die sich gerade bietet oder angesprochen wird. Dabei fehlt es nicht an faktischen Gründen, sind doch im Vergleich zu vergangenen goldenen Jahrzehnten Anforderungen wesentlich gestiegen und unverrückbar geglaubte Ressourcen und Sicherheiten entfallen. Doch entspricht die Wirkung – nicht zuletzt angesichts eines privaten Vermögens von rund zehn Billionen Euro in Deutschland – der Ursache?

Mit der Sicherheit steigt die Unsicherheit
Dies soll nicht heißen, dass es keine Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen gibt – es sind jedoch die Falschen, die darüber klagen: Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem diejenigen zum Jammern neigen, denen es überdurchschnittlich gut geht, da sie mehr zu verlieren haben. Daher nehmen Klagen und Zukunftsangst mit dem Wohlstand und dem gesellschaftlichen Status – aber auch mit dem Alter – deutlich zu. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung fühlen sich in Deutschland glücklich – ein Anteil, der sich nahezu unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung seit rund 60 Jahren nicht verändert hat. Im Gegenteil: Für die Dankbarkeit vergangener Zeiten über eine Tasse Kaffee oder eine warme Mahlzeit sind heute gewaltige Anschaffungen notwendig. Und wer wenig besitzt, hat allen Grund zum Optimismus und Anlass zum Handeln, wird mit seinen Ideen vorwärts drängen und sich darin wiederfinden – mit allen Rückschlägen und Kompromissen.

Mit der Unsicherheit wachsen Kreativität und Selbstfindung
Der Mensch scheint ein gewisses Maß an Widrigkeiten und Unsicherheit zu benötigen, zu deren Überwindung er dann seine Kreativität und Energie einsetzt und dabei Identität findet. So ist Unzufriedenheit – wenn sie vorübergehend ist – sogar etwas zutiefst Sinn- und Lebenspendendes. Daher verschwindet sie auch nicht, wenn ein Problem überwunden wurde. Im Gegenteil: Fehlen tatsächliche Bedrohungen, so werden sie durch Jammern konstruiert. Gerade Menschen, bei denen Bildungsabschluss, Einkommen, Gesundheit, soziale Kontakte, Absicherung und Lebensstandard überdurchschnittlich ausfallen, werden dadurch scheinbar zu einsamen Helden oder Gebeutelten. Allerdings zementieren sie damit ihre eigene Unzufriedenheit und versuchen nicht zuletzt, ihre Situation trickreich zu verbessern: Wer sehen muss, wo er selbst bleibt, muss keine Rücksicht mehr auf die Gemeinschaft aufbringen und auch keine Verantwortung für sein Handeln oder gar andere Menschen übernehmen. Wenn man auch Vorteile aus dieser Haltung ziehen kann: Glücklicher macht sie nicht. Denn wer sich darüber klar wird, was ihm an seinen Aufgaben, Beziehungen und alltäglichen Erlebnissen Kraft und Sinn gibt und ab und an dafür dankbar ist, wird sich deutlich wohler und gelassener fühlen. Wo haben Sie in Ihrem Leben so richtig Glück gehabt?

© Christian Zehenter

Laufsport, aber richtig!

Regelmäßiges Laufen bedeutet nicht nur Erholung und Spaß, sondern auch eine ideale Therapie gegen chronische Krankheiten: Freizeitläufer sind im Schnitt zufriedener und erkranken seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs, Depression, Diabetes und Übergewicht als andere Menschen. Nicht von ungefähr ist mit rund 20 Millionen Freizeitläufern der Laufsport die beliebteste Sportart in Deutschland.

Lust und Fitness stellen sich beim Laufen nicht immer automatisch ein, sondern bedürfen einiger Grundregeln – um nicht gegen, sondern mit dem Körper zu arbeiten. Insbesondere gilt: Anstrengen, schwitzen und dabei wohlfühlen – ja! Schmerzen, Erschöpfung oder Atemlosigkeit – nein!

Leistung und Erwartungen langsam (!) steigern
Viele Einsteiger lassen sich aufgrund hoher Erwartungen schnell enttäuschen und geben das Laufen vorzeitig wieder auf. Wählen Sie für die ersten Laufstrecken daher bewusst ein moderates Tempo und steigern Sie im ersten Viertel jeder Trainingseinheit langsam die Leistung bis zur regulären Belastung. Einsteiger beginnen mit kleineren Intervalleinheiten bis zu 3 km (15–30 Min., mit Pausen), die dann mit jedem Training um 10 % gesteigert werden. Danach immer locker auslaufen. Leichter Muskelkater ist für den Einstieg normal und unbedenklich. Erwarten Sie keine sofortige Gewichtsabnahme, diese stellt sich erst bei dauerhaftem regelmäßigen Training (optimal: 3–4 x die Woche 1 Stunde) ein. Gut trainiert können Sie schließlich mehrere hundert Kilokalorien pro Trainingseinheit verbrennen.

Um Zerrungen und Muskelfaserrisse zu vermeiden, sollten Sie sich vor und nach dem Laufen lockern (auch danach) und aufwärmen, z. B. mit wärmender Kleidung locker hüpfen, traben und zusätzlich dehnen: Knie an die Brust ziehen, Fußspitze des gestreckten Beines mit den Fingern berühren, Ferse an den Po ziehen und mit Armen, Beinen, Rumpf und Kopf kreisen.

Auf Schritt und Tritt – der richtige Laufschuh
Grundvoraussetzung im Laufsport sind gute Laufschuhe mit stabiler Führung und guter Dämpfung (Vorfuß und Ferse) – das Gewicht des Schuhs ist Nebensache. Viele Menschen knicken mit dem Fuß nach innen und benötigen einen an der Innenseite verstärkten Schuh. Lassen Sie sich im Laufgeschäft und von erfahrenen Trainingskollegen beraten (zum gemeinsamen Laufen finden Sie über Sportvereine auf geeignete Laufgruppen in Ihrer Umgebung). Laufschuhe sollten auf Körpergewicht, Fußstellung, bevorzugten Untergrund und Laufpensum abgestimmt sein und auch nach 15-minütigem Tragen immer noch angenehm, griffig und stabil anliegen. Sie kosten etwa 70–150 Euro und halten 1.500 km oder 2 Jahre. Druckstellen und kleine Blasen sind anfänglich normal, sollten aber nach mehrmaligem Tragen verschwinden.

Funktionskleidung schützt vor Auskühlung und Hitze
Empfehlenswert ist zudem funktionelle Sportkleidung, die elastisch anliegt, atmet, sich nicht vollsaugt (keine Baumwolle!) und evtl. Wasser abweist. Eine „Grundausrüstung“ besteht aus kurzer und langer Laufhose, Laufsocken, Funktionsunterwäsche, Flaschengürtel, T-Shirt, Jacke und je einer Funktionsmütze für Winter und Sommer. Laufzeit ist 365 Tage im Jahr! Reflektoren an der Kleidung erhöhen Ihre Sicherheit im Dunkeln. Ein Schrittzähler aus dem Sportgeschäft ermöglicht eine Leistungskontrolle.

Bauchsache: nicht mit vollem oder leerem Magen
Die letzte Mahlzeit (fettarm mit reichlich Kohlenhydraten) sollte bei Trainingsbeginn mindestens zwei, bei fetten Speisen vier Stunden zurückliegen. Starten Sie immer entspannt. Wenn Sie längere Strecken (über eine Stunde) laufen oder zur Unterzuckerung neigen (Diabetes-Test!), sollten Sie immer Kohlenhydratriegel oder Trockenobst (Aprikosen, Bananen) greifbar haben. Zuckermangelsymptome (Schwäche, Unwohlsein, Frösteln, Beklemmung) sollten damit innerhalb von 15 Minuten verschwinden! Haben Sie einen Flaschengürtel dabei und sind gegen Sonne, Regen oder Kälte ausreichend geschützt? Eine der größten Gefahren beim Ausdauersport ist die Dehydrierung (Entwässerung), zumal man unter Belastung weniger Durst empfindet. Trinken Sie daher pro Stunde mindestens 1/2 Liter Wasser oder Saftschorle (1:2 verdünnt), bei Hitze mehr.

Optimal „läuft“ der Mensch auf 75 Prozent
Am wirksamsten trainieren Sie mit 75 % (nicht über 85 %) der maximalen Leistung und damit 75 % des Maximalpulses. Dies entspricht etwa 150/Min. bei jüngeren und ca. 130 bei älteren Menschen (Faustregel: Trainingspuls = 180 minus Lebensalter). Den Puls kann man u. a. im „Halsdreieck“ seitlich über dem Kehlkopf tasten. Genauer und bequemer gibt ein Pulsmesser Auskunft, bestehend aus Brustgurt und „Armbanduhr“, den Hersteller wie Polar, Timex, Sigma oder Casio anbieten.

Je früher Sie am Tag laufen, desto besser. Dann bleibt dem Körper Zeit, Reserven wieder aufzufüllen, den Kreislauf zu regulieren und kleine „Reparaturen“ durchzuführen. Spätabendlicher Sport führt dagegen häufig zu Schlafstörungen. Wichtig: Der Trainingseffekt setzt erst in der Ruhephase ein! Lassen Sie daher dem Körper nach jeder Sporteinheit Zeit zum Regenerieren (Entlastungstage).

Intervalltraining statt Strecke machen
Am besten reagiert der Körper auf abwechselndes Ausdauer- und Intervalltraining. Dazu können Sie z. B. 1–2 x die Woche 5–10 km in normaler Trainingsgeschwindigkeit laufen und an 1–2 anderen Trainingstagen 3 x 1 km sprinten, unterbrochen von jeweils 5 Minuten Traben oder Gehen. Auch der fließende Wechsel zwischen Temposteigerung und -abfall stimuliert den Körper zum Aufbau.

Verschaffen Sie sich mit Oberkörpertraining, Radfahren oder Schwimmen regelmäßig Abwechslung und trainieren Sie mindestens 2 x wöchentlich Bauch- und Rückenmuskeln, z. B. durch Bauchaufzüge sowie Arm- und Beinübungen auf dem Bauch liegend.

Die größten Fehler beim Laufen
Selbstüberforderung durch zu schnelles Laufen und zu lange oder schwierige Strecken bis hin zum Marathon ist populär, aber riskant: Muskulatur (auch des Herzens), Sehnen, Bänder, Gelenkknorpel, Lunge und Darm werden überlastet, der Körper fiebert und übersäuert, die Immunabwehr fährt herunter. Jedes Jahr erleiden allein in Deutschland tausende Läufer, v. a. bei Laufveranstaltungen, einen Kreislaufkollaps. Ursache ist fast immer die Missachtung der eigenen körperlichen Grenzen und Bedarfe, insbesondere durch einen der folgenden Fehler:

  • zu schnell oder unregelmäßig laufen
  • zu wenig trinken, kein Flaschengürtel
  • fehlender Hitze- oder Kälteschutz (z. B. funktionelle Laufmütze, Wasser, Laufjacke)
  • keine vorherige Herzuntersuchung (ab 35 Jahren oder 20 km)
  • Puls länger über 85 % (Pulsmesser!)
  • unpassendes bis fehlendes Training (Strecke, Rhythmus, Tempo, Bedingungen, Trink- und Essverhalten)
  • Unterzuckerung durch falsches Ess- und Trinkverhalten bei großer Distanz, z. B. Traubenzucker oder zuckerhaltige Getränken vor oder beim Laufen, zu geringe Kohlenhydratzufuhr

Bei starkem Unwohlsein, Bewusstseinstrübung, „Schwarzwerden vor Augen“, Atemnot, Erbrechen, zunehmenden Krämpfen, einengendem Ziehen/Schmerzen hinter dem Brustbein, Schwindel oder Frösteln (trotz Wärme): den Lauf sofort abbrechen und medizinisch betreuen lassen! Strecken über 15 km und Temperaturen ab 25 °C schaden Freizeitläufern zunehmend.

Wettkampf: motivierend, aber nicht notwendig
Wenn Sie an einer Laufveranstaltung (DLV-Laufkalender unter www.leichtathletik.de) teilnehmen, sollten Sie bereits mindestens 75 % der anvisierten Belastung im Training problemlos bewältigt und vielfach durchlaufen haben. Trainieren Sie die Woche zuvor nur sehr locker bis gar nicht. Sportwettkämpfe motivieren und machen leistungsfähiger, sind aber für die Gesundheit nicht notwendig. Wichtig: Strecken ab 20 km oder gar Marathon (42,2 km), Triathlon und Läufe unter extremen Bedingungen (Hitze, Kälte, Höhe, Steigung, Ultrastrecken) fallen unter den Leistungssport und setzen professionelles Training, Lauferfahrung, sportliche Konstitution und eine (sport)ärztliche Untersuchung voraus!

Wann Sie nicht laufen sollten
In folgenden Fällen sollten Sie nicht bzw. nur nach ärztlicher Rücksprache laufen:

  • starkes Übergewicht (BMI > 30)
  • rheumatische Erkrankungen, Arthrose (z. B. Knie oder Hüfte)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Fieber, Krankheitsgefühl, akute Infektionen (nicht jedoch Schnupfen)

Als schonende Alternativen – auch für Verletzungspausen – bieten sich (Nordic) Walking, Radfahren, Schwimmen und Aquajogging an.

© Christian Zehenter

Heuschnupfen? Tun Sie was!

Hasel- und Erlenpollen fliegen bereits ab Februar kräftig, gefolgt von Pappel , Weide, Esche und Birke. Experten rechnen 2010 mit einer jährlichen Zunahme der Pollenbelastung. Doch zu Pessimismus besteht kein Anlass: Zum einen hängt die Pollenbelastung und -wirkung stark vom Zusammenwirken mit Witterung, Luftschadstoffen und Feinstaub ab. Zum anderen können Pollenallergiker sich mit folgenden Maßnahmen wirksam schützen:

  • Aufenthalt im Hochgebirge oder am Meer
  • Oberflächen im Innenraum mehrmals die Woche feucht wischen. Textilien einmal wöchentlich absaugen (Staubsauger mit HEPA-Filter), „Staubfänger“ vermeiden
  • Bettwäsche alle 1–2 Wochen, Kleidung alle 3–4 Tage waschen
  • beim Betreten der Wohnung auf „Hauskleidung“ wechseln
  • in der Stadt zwischen 6 und 8 Uhr, auf dem Land zwischen 19 und 24 Uhr lüften, ansonsten mit Pollenschutzgitter (Fachhandel)
  • nach Regenfällen ins Freie gehen
  • Auto nur über einen Pollenfilter lüften, der mindestens einmal jährlich ausgetauscht wird
  • häufig duschen
  • Sonnenbrille
  • Bewegung, Entspannung, Nichtrauchen
  • evtl. Hypo- oder Desensibilisierung durch einen Arzt: Dabei wird der Allergieauslöser über einen Zeitraum von ca. drei Jahren regelmäßig und in steigender Dosis unter die Haut gespritzt. Hat die Behandlung Erfolg, reagiert der Körper nach dieser Zeit nicht mehr darauf.

Pollenflugzeiten

Monat(e)

Blühende Pflanzen

Februar-April

Erle, Hasel

März-April

Pappel, Weide

April

Esche, Birke, Hainbuche

Mai

Buche, Eiche, Kiefer

Juni

Roggen

Juni-August

Gräser, Spitzwegerich, Brennnessel

Juli

Beifuß

August-September

Traubenkraut (Ambrosia)

Je nach Witterung können die Pollen in kleineren Mengen bis zu drei Monate vor oder nach den Hauptflugzeiten auftreten.
Knapp sechzig Prozent der Pollenallergiker entwickeln zusätzlich eine Lebensmittelallergie (Kreuzallergie). So können Birkenpollenallergiker z. B. nach dem Verzehr von rohen Äpfeln, Kirschen, Pflaumen oder Nüssen unter Kribbeln, Juckreiz und Brennen der Schleimhäute leiden. Gegart (z. B. als Kompott oder Marmelade) sind jedoch die meisten Lebensmittel verträglich.

© Christian Zehenter

Fälschlich vertraut: HIV

Über 25 Jahre nach Entdeckung des Human immunodeficiency virus HIV, das die Immunschwächekrankheit AIDS auslöst, ist die Medizin noch weit von einer Heilung der Krankheit oder der Entwicklung einer Impfung entfernt. Hingegen befindet sich das Virus bei den Menschen, welche die großen Aufklärungskampagnen der 80er- und 90er-Jahre nicht (mehr) erlebt haben, wieder auf dem Vormarsch.

Der Erreger hat Zeit. Lange arbeitete er im Geheimen, verbreitete sich Anfang des 20. Jahrhunderts im zentralen Afrika auf dem Blutweg von Affen über Menschenaffen auf den Menschen. Übertragen wurde HIV fortan – weiterhin unbemerkt – hauptsächlich durch ungeschützte sexuelle Kontakte. Nachdem um 1980 deutlich wurde, dass bereits etwa 2 Millionen Menschen an dieser tödlichen Immunschwäche litten, suchten Wissenschaftler fieberhaft nach der Ursache und fanden sie: 1983 identifizierten Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi das HI-Virus als Erreger von AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome).

Weder Impfungen, Medikamente noch das Immunsystem konnten das sich schnell wandelnde, tödliche Virus aufhalten. Gleichzeitig hatte man eine einfache Möglichkeit gefunden, den Erreger zu stoppen: Kondome, welche den Austausch der Viren über die dünnen Genitalschleimhäute verhindern. Doch trotz weltweiter Aufklärung trat das Ende der Pandemie nicht ein. Infizierten sich die einen ohne Not für den Lohn eines ungeschützten Geschlechtsverkehrs, so hatten Menschen in ärmeren Ländern häufig nicht einmal Zugang zu den schützenden Verhütungsmitteln.

Zahlen, die für sich sprechen
2005 infizierte das Virus 4,9 Millionen Menschen, 3,1 Millionen starben daran – zwei Drittel davon im südlichen Afrika. Seit dem Jahr 2000 starben damit weltweit über 30 Millionen Menschen an AIDS, mehr als durch Kriege und Verkehrsunfälle. Heute ist 1 % der Weltbevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren HIV-infiziert. Seit 2006 ist erstmals ein leichter weltweiter Rückgang der Neuinfektionen zu verzeichnen. In West- und Mitteleuropa steigt jedoch die Zahl der HIV-Opfer entgegen dem weltweiten Trend, zurzeit jährlich etwa 700.000.

In Deutschland infizieren sich jährlich ca. 3.000 Menschen, 63.000 leben mit HIV, davon 80 % meist homosexuelle Männer, mit 500 Todesfällen. Sorglosigkeit gefährdet auch zunehmend andere Bevölkerungsgruppen, besonders Jugendliche und junge Erwachsene, welche die großen Aufklärungskampagnen der 90er-Jahre nicht mehr erfahren haben.

Kann man sich beim Sport anstecken?
HIV kann durch Blut, Sperma, Vaginal- und Rückenmarksflüssigkeit sowie Muttermilch übertragen werden. Da das Virus an der Luft rasch abstirbt und eine gewisse Blutmenge benötigt, ist zur Übertragung ein sehr enger Kontakt nötig. Beispielsweise besteht durch Insekten, Berührungen, schmutzige Oberflächen oder Mannschaftssport, selbst bei kleineren offenen Wunden, kein nennenswertes Ansteckungsrisiko.

Oberste Vorsicht ist hingegen bei allem geboten, was „unter die Haut“ geht. Nicht von ungefähr ist etwa ein Fünftel der Heroinabhängigen HIV-positiv, die häufig die Spritze „herumgehen“ lassen. In den Jahren bis 1993 wurden die Hälfte (2.000) der in Deutschland lebenden Bluter durch kontaminierte Blutkonserven mit HIV infiziert. Auch bei (Zahn-)Arztbesuchen in Ländern mit schlechter Hygiene kann das Virus über schlecht desinfizierte Instrumente übertragen werden.

Über 90 % der Übertragungen finden durch ungeschützten Geschlechtsverkehr statt. Denn unverhornte Haut, wie an Eichel oder Vorhautinnenseite sowie die Vaginal- und Darmschleimhaut, ist extrem durchlässig – auch für HI-Viren. Einschätzen kann man das Ansteckungsrisiko kaum: Stecken sich manche selbst nach Jahren bei einem infizierten Partner nicht an, so trifft es andere beim ersten Mal. Ob ein Partner, evtl. seit Jahren, HIV-infiziert ist, weiß ohne HIV-Test niemand, häufig nicht einmal er selbst.

Über Tabus reden, Infektionen vermeiden
Daher sollte jede/r ab dem ersten sexuellen Kontakt ausnahmslos Kondome benutzen und bei sich tragen, wenn es kein Spiel mit der Gesundheit (anderer) sein soll. Drängt der Partner oder die Partnerin auf Sex ohne Kondom, sollte man sich bewusst abgrenzen. Ausnahme sind langfristige Partnerschaften, in denen beide Partner HIV-getestet sind, offen geredet wird und keiner der Partner mit Dritten ungeschützten Geschlechtsverkehr hat.

Für den Analverkehr sollten speziell dafür geeignete Kondome verwendet werden, da die mechanische Beanspruchung und das Infektionsrisiko ungleich höher liegen. Beim Oralverkehr besteht hingegen nur ein relativ geringes Risiko, beim Küssen ist es praktisch zu vernachlässigen. Am schnellsten wird HIV von frisch Infizierten übertragen.

Eine HIV-Infektion wird begünstigt durch:

  • ungeschützten Geschlechtsverkehr
  • häufig wechselnde Partner, One-Night-Stands
  • Analverkehr (durch kleine Schleimhautrisse)
  • angegriffene Schleimhäute (z. B. Entzündungen, wunde Stellen)
  • frische HIV-Infektion des Partners
  • Geschlechtsverkehr während der Menstruation
  • bestehende Geschlechtskrankheiten (einschließlich Herpes)
  • Homosexualität bei Männern
  • medizinischer Beruf
  • Mutter HIV-infiziert (Risiko 10–40 %)
  • Heroinsucht
  • Bluttransfusionen
  • medizinische Behandlungen im Ausland
  • exuelle Kontakte mit Menschen im oder aus dem Ausland.

Das Infektionsrisiko sinkt durch:

  • richtige und ausnahmslose Verwendung von Kondomen
  • Beschneidung beim Mann
  • richtige medikamentöse Einstellung bei Infizierten
  • stabile Partnerschaft.

Jedermanns Sache: HIV-Tests
Ein HIV-Test empfiehlt sich von Zeit zu Zeit, um sich und andere nicht unwissentlich zu gefährden. Vor einer Geburt oder dem Blutspenden wird er routinemäßig vorgenommen. Bei Gesundheitsämtern können Tests kostenlos und anonym durchgeführt werden. Ein HIV-Test beim Arzt kostet ca. 25,- €, wobei er im Rahmen der Abklärung einer Krankheitsursache von der Krankenkasse übernommen wird. Achtung: Erst 25 Tage nach der Ansteckung schlägt der Test an, und erst 12 Wochen danach lässt sich HIV sicher ausschließen. Fällt ein Test positiv aus, wird er durch einen zweiten abgesichert. HIV-Infektionen werden ohne Namensnennung an das Robert-Koch-Institut in Berlin gemeldet.

Durch welche Symptome zeigt sich AIDS?
Wenn – in der Regel 9–11 Jahre nach der Infektion – typische Symptome auftreten, spricht man von AIDS: Betroffene fühlen sich meist krank, kraftlos und erschöpft, nehmen schnell ab und haben häufig und lange Fieber, Gelenk- und Kopfschmerzen sowie Durchfall. Erkältungen, Stimmungsschwankungen und Hauterkrankungen häufen sich. Schon bei kleinen Anlässen kann es zur Lungen- oder Hirnhautentzündung kommen, Haut und Speiseröhre werden von Pilzen heimgesucht. Der Organismus wird für nahezu jeden Keim der Umgebung und auch verschiedene Tumorarten empfänglich.

Therapie: Bis heute keine Heilung
Bis heute kann AIDS nicht geheilt und eine bestehende Infektion nicht rückgängig gemacht werden. Ausnahme: Durch eine einmonatige Sofortbehandlung mit antiviralen Medikamenten, direkt (ideal: 2 Stunden) nach einer (vermuteten) Infektion, kann diese noch gestoppt werden. Ebenso kann die Übertragung von der Mutter auf das Kind bei oder vor der Geburt durch Medikamente auf etwa 2 % gesenkt werden.
Einmal ausgebrochen, ist das Krankheitsbild jedoch nur schwer zu beherrschen und führt häufig innerhalb von Monaten bis Jahren zum Tod. Dank verbesserter antiviraler Medikamente bedeutet die Krankheit heute jedoch nicht mehr zwangsläufig ein Todesurteil, und ein normales Leben mit HIV ist möglich geworden. Allerdings geht die Medikamententherapie mit Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall, Schwäche oder Magenentzündung einher.

Fazit
HIV ist so ernst zu nehmen wie eh und je und bedeutet nicht nur mögliche lebenslange Beschwerden mit evtl. vorzeitigem Tod, sondern gesellschaftliche Probleme bis hin zu Sport- und Berufsverboten. Daher gehören Kondome in jeder Lebenslage ins Gepäck, damit sie im entscheidenden Moment nicht fehlen. Dies schützt nicht nur vor HI-Viren, sondern auch vor Geschlechtskrankheiten – von Genitalherpes über Chlamydien bis hin zur Syphilis –, die im Rahmen der Globalisierung auf dem Vormarsch sind. Daher gilt nach wie vor: Gib AIDS keine Chance.

© Christian Zehenter